Für den Studenten ist es die erste Bundestagswahl, bei der er mitwählen darf. Da er ausbildungsbedingt seit letztem Jahr in Niedersachsen gemeldet ist, die Wochenenden aber immer in Hamburg verbringt und zeitweilig auch über Wochen anderswo eingeteilt ist, bleibt ihm nur die Möglichkeit der Briefwahl.
So meldete er sich also in der letzten Augustwoche im Rathaus von Bad Harzburg und trug sein Anliegen vor – die Wahlberechtigungskarte hatte er bis dato nämlich noch nicht im Kasten, er musste sich also persönlich bemühen.
Das war schwieriger als gedacht. Die Briefwahlunterlagen würden erst Anfang September verschickt, so teilte man ihm mit und wie nun in seinem Fall zu verfahren sei, hätte die Wahlbeauftragte zu entscheiden, die aber gerade nicht im Haus sei.
Drei Tage später, an seinem letzten Tag vor der Abreise, erschien er erneut im Rathaus und wurde dort immer noch nicht gern gesehen. Die Wahlbeauftragte wäre die ganze Woche nicht im Haus gewesen, so teilte man ihm mit und so könne man nichts für ihn tun.
Auf seine Frage, was er jetzt tun könne, um sein Wahlrecht zur Bundestagswahl wahrnehmen zu können, speiste man ihn lapidar mit der Antwort ab „Dafür sind wir nicht zuständig“.
Wikipedia weiß es besser:
Die Briefwahlunterlagen werden durch Ausfüllen und Abgeben/Abschicken der Wahlbenachrichtigungskarte angefordert. Die Ausstellung der Briefwahlunterlagen ist gebunden an die Ausstellung eines Wahlscheins. Die ausgestellten Wahlscheine werden im Wählerverzeichnis vermerkt. Dadurch wird verhindert, dass Wahlberechtigte sowohl per Briefwahl als auch im Wahllokal wählen gehen, was dem Grundsatz der gleichen Wahl widersprechen würde.
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Bei persönlichem Erscheinen des Wählers in der Briefwahlstelle kann in einer dazu vorhandenen Wahlkabine unmittelbar der Stimmzettel ausgefüllt werden. Der rote Briefwahlumschlag kann dann in eine versiegelte Wahlurne gegeben werden, die dann zusammen mit den auf dem Postweg eingetroffenen Briefstimmen ausgewertet werden.
Aha! DAS klingt doch ganz anders, oder? Das haben wir leider erst nachträglich herausgefunden.
Mit der Aussage des Servicebüros steht man dann da, als junger Mensch und fragt sich, ob es überhaupt gewollt ist, dass man wählen geht oder ob es eher unbedeutend ist, wenn ein einzelner Wähler sein Kreuz nicht machen kann.
Aus einem Einzelnen werden schnell Viele und mir ging es natürlich ums Prinzip. Die Erfahrungen die er jetzt als mündiger Wähler macht, werden ihn sein Leben lang prägen und ihn möglicherweise zu dem Resultat bringen, dass man das alles nicht so ernst sehen muss.
Wir haben also diskutiert und ich habe ihm geraten, seine Geschichte in einem Brief dem Bürgermeister seines Ortes zu schildern und um Hilfe zu bitten, damit er doch noch wählen könne.
Gesagt, getan. Der Brief ging raus und zwischenzeitlich kamen dann die Briefwahlunterlagen an die Hamburger Anschrift, man hätte seinen Brief nun als Antrag gewertet. So richtig zugeben will das Versäumnis aber wohl niemand, wie wir einem Antwortbrief eines Mitarbeiters entnehmen können.
Da der Student sich die Namen der Sachbearbeiter nicht hat geben lassen und somit keine Angaben machen konnte, von wem er die fälschlichen Antworten erhielt, könne man den Fall nun nicht mehr rekonstruieren.
Schon wieder ein Umstand über den ich mich aufregen könnte, dass es nun niemand gewesen sein will, nur weil man es nicht namentlich beweisen kann.
Der Briefwahumschlag ist jedenfalls nun auf dem Weg, aber nicht jeder junge Mensch hat soviel Ausdauer, sich dahinter zu klemmen und deshalb finde ich das Verhalten im Rathaus nach wie vor unverständlich, gerade im Hinblick auf die allseits beklagte Politikverdrossenheit und die von Politikern schon jetzt gefürchtete zu geringe Wahlbeteiligung.
Wer noch unschlüssig ist, kann es ja auch noch mal mit dem Wahl-o-Mat versuchen, um einen Überblick zu bekommen, welche Partei ihm wirklich am nächsten ist.
Das die am Ende doch nicht das machen, was wir uns wünschen – damit muss man rechnen, dafür sind die Verhältnisse zu kompliziert und je schwieriger die Konstellation einer Koalition verläuft, desto mehr Abstriche und Kompromisse müssen gemacht werden.
Oft bleibt einem doch nur die Wahl für das vermeintliche „kleinere Übel“ – und DOCH ist es allemal besser als nicht zu wählen und hinterher ein blaues Wunder zu erleben, wenn das Ergebnis bekannt wird. Das hatten wir alles schon mal.
Ich hoffe somit, dass alle die Möglichkeit haben ihr Wahlrecht wahr zu nehmen und nicht vor Schwierigkeiten stehen, wie sie der Student erlebt hat. Wenn doch – NICHT gefallen lassen! Okay?
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